Montag, 9. Oktober 2017

Die Tentakel der Bulimie

Die große Angst


Mit der Anorexie kommt die Bulimie. Die Toiletten jagen mich. Beschreibung einer Attacke mit unerwartetem Ausgang.
 

 

Auf meinem Küchentisch steht eine Tortenplatte.

Seit Samstag esse ich wieder, das Wochenende mit der Familie hat den Knoten durchschlagen und die gemeinsamen Mahlzeiten führten zu einer regelmäßigen Nahrungsaufnahme, d.h. ich habe kleine Portionen gegessen und mich dabei an meinem jüngsten Sohn orientiert. Allerdings habe ich die Kohlenhydrate fast weg gelassen, Gemüse und Getränke in Mengen zu mir genommen. Ganz nach alten Mustern und Gesetzen. Erstmal gut, glaube ich. Doch am Sonntag bekamen wir ein Geschenk.

Auf meinem Küchentisch steht eine Tortenplatte mit einem vollständigen Käsekuchen.

Ich liebe Käsekuchen, schon immer: Der Geschmack ist wunderbar zartcremig. Und: Die Konsistenz eignet sich hervorragend zum Verschlingen, mit der entsprechenden Flüssigkeitsmenge gemischt auch bestens zum Erbrechen. Ein ganzer Käsekuchen geht locker rein und wieder raus. Dann noch eine Tafel Lieblingsschokolade, damit sich die Anstrengung hinterher auch richtig lohnt. Ich tigere durch die Küche, immer wieder um den Tisch herum. Ich decke den Kuchen auf und wieder zu. Wie von außen sehe ich mir dabei zu und lache mich kaputt.

Auf meinem Küchentisch steht eine Tortenplatte mit einem halben Käsekuchen.

Der Zucker, die Creme, der Keksboden haben unentwegt nach mir gerufen, mich gelockt und an mir gezerrt. Die Option Toilette besteht nach wie vor, mit geöffnetem Maul jagen mich die Klos mit ihren hochgeklappten Toiletten-Deckeln. So einfach und schnell könnte es gehen... Ich trinke eine Flasche Sprudel und zwei Gläser Rotwein, ich schaue einen Film und kann mich an die Handlung nicht erinnern. Aber ich weiß, dass ich ständig in der Küche war. Jetzt gibt es nur noch einen halben Käsekuchen, ein Viertel verwertet der Stoffwechsel meines Mannes, das andere Viertel macht mich fett. 

Ich will nicht erbrechen. Ich werde nicht erbrechen.

Heute steht der halbe Käsekuchen immer noch da. Ich bin alleine zuhause. Scheißescheißescheiße: Gefahr, Angst, Panik, die Tentakel der Bulimie haben nach mir gegriffen und mich gepackt. Aber ich konnte sie gestern abschütteln. Ich habe nicht erbrochen. Ich habe zwar zu viel Kuchen gegessen, aber ich konnte aufhören. Das war keine Glanzleistung und einfach schon gar nicht, der ganze Abend stand unter dem Einfluss des Käsekuchens, für anderes blieb gar kein Raum. Trotzdem habe ich es wirklich geschafft - und ich werde auch die nächste Attacke wieder abwehren. Fast schaue ich mit neuem Mut nach vorne und staune über mich selbst.

Zeit für eine Pause

Umbrüche. Abschiede. Ich ziehe mich zurück, der Blog macht Pause. Gründe dafür gibt es viele, der Wichtigste: Mit dem Essen komme ich zurech...